Projekt: Bewertung indirekter Enteignungen im internationalen Investitionsrecht
CETA – the “golden standard“?
Der Vertragstext des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen der EU und Kanada sieht in Artikel 8.12 CETA die Verpflichtung zum Schutz vor indirekten Enteignungen ohne Entschädigung vor. Dies ist eine neue Entwicklung im internationalen Investitionsschutzrecht.
Annex 8-A(2) CETA gibt basierend auf der Schiedsgerichtsentscheidung von Penn Central v. New York City aus dem Jahr 1978 vier Kriterien zur Klassifizierung einer “indirekten Enteignung” vor:
(i) economic impact
(ii) duration
(iii) reasonable investment backed expectations
(iv) character of the measure.
Während sich der CETA-Vertragstext bezüglich der ersten drei Kriterien auf bereits bekannte Formeln stützt, die von Schiedsgerichten herausgearbeitet worden sind – vor allem Metalclad Corporation v. The United Mexican States, paras 103 und 107 sowie Revere Copper v. Overseas Private Investment Corporation, para 7 – ist das Kriterium “character of the measure” höchst problematisch und auslegungsbedürftig.
Ein “Boom” indirekter Enteignungen (M. Krajewski) kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt bislang noch kein “Case Law” und allgemeingültiges Schemata für die Prüfung einer indirekten Enteignung.
Der Verhältnismäßigkeitstest zur Identifizierung einer indirekten Enteignung bleibt auch bei CETA zumindest implizit bestehen: “ (…) require an assessment of whether measures are so severe in light of their purpose that they appear manifestly excessive”.
Zur Feststellung des Kriteriums “manifestly excessive” sind verschiedene Wertermittlungsmethoden heranzuziehen und zu testen.
Der “blinde” Fleck im Investitionsrecht: Mangelnde Systematik und Kohärenz der Entschädigungsstandards und -Methoden
Die Verfahren, mit denen Entschädigung und Schadensersatz berechnet werden, haben in der Praxis eine eminent wichtige Bedeutung. Denn sie weichen erheblich von den nationalen („customary“) Regelwerken und Einflussgrößen ab. Die Verfahren basieren in der Schiedsgerichtspraxis auf nicht kodifizierten Regelwerken wie Blue Book, Red Book und White Book. Es wird überwiegend mit dem Terminus des „fair market value“ operiert, der nach den Hull-Prinzipien zu einer i. W. vollen Entschädigung führt. Nur im Fall Santa Elena v. Costa Rica wurde bei der Berechnung der Entschädigung durch das Schiedsgericht auf das innerstaatliche (Gewohnheits-)Recht – customary law – zurückgegriffen.
Harmonisierung von nationalem Recht der Wertermittlung und Standards in Investitionsschutzverfahren (disputes)
Neben Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren kommen auch typische Verfahren der Unternehmensbewertung in Betracht wie der Asset-Based Approach als marktbasiere Berechnung, indem Aktienkurs, frühere Transaktionen, Warenbestände, Angebote und Vertragsbeziehungen (auch: goodwill) des Unternehmens sowie Vermögensveräußerungen berücksichtigt werden, die einen (Teil-)Verkehrswert des Unternehmens ergeben. Das neue nationale Recht der ImmoWertV 2021 schließt die Anwendung des Discounted Cash Flow-Verfahrens nach § 6 Abs. 1 ImmoWertV nicht aus und nähert sich damit internationalen Bewertungsstandards an, in dem zur Bewertung einer Investition auf die prognostizierten zukünftigen Einnahmen unter Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos (business risk) und des Zeitablaufs durch Diskontierung sowie auf Inflationsrisiken abgestellt wird.
Forschungs- und Beratungsprojekt
In einem Forschungsprojekt soll eine Systematisierung der im internationalen Investitions(schutz)recht entwickelten Wertermittlungsansätze und -Modelle erreicht werden. Sodann wird die Querlage zwischen diesen von Schiedsgerichten entwickelten Standards zum nationalen deutschen Wertermittlungsregime identifiziert und offengelegt. Fachveröffentlichungen in einschlägigen Journalen und eine internationale Tagung im Jahr 2023 sollen folgen.